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Aktuelle Recherche - Bücher mit Intentionen

Es fällt mir schwer im Zusammenhang mit den nun vorgestellten Büchern von „Verschwörungstheorien“ zu sprechen. Ich grenze bei dem Thema RAF / 68er deutlich zwischen Verschwörung und dem Schleier eines Nebels von unbeantworteten Unstimmigkeiten ab. In diesem Nebel kann man sich sehr leicht auf den Pfad der Verschwörungstheorie verirren. Diese Gefahr besteht auch beim Verfassen meines neuen Buches. Ich möchte so viele Fakten wie möglich verwenden, komme aber nicht umhin, mindestens eine Hauptfigur komplett zu erfinden. Diese Hauptfigur nimmt dann an tatsächlichen Ereignissen teil und ich mache sie zu einem Teil der Historie – legt man zu viel Ursächlichkeit in solche fiktiven Figuren, dann bindet man Tatsachen an sie. Wie ein schwerer Betonklotz holzt so eine Figur dann durch die Geschichte. Da ist viel Raffinesse gefragt.

Ein Autor, der dies vorzüglich beherrscht ist Robert Harris. Er verbindet historische Fakten mit solchen fiktiven Figuren, manchmal mit veränderten („Vaterland“) oder nur angedeuteten historischen Fakten („Ghost“) – das Stimmungsbild bleibt jedoch gleich, weil die Abgrenzung von Fiktion und Wirklichkeit von vorneherein klar ist. Ich für meinen Teil habe das Problem, dass die Fakten, die ich für meine Geschichte nutzen möchte, nur wenigen, historisch interessierte Lesern bekannt sein dürften. Mein fiktiver Protagonist wird so zu einem Garanten der eigentlichen Wahrheit – ein Darsteller, eine Personifizierung meines Themas.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich muss sehr vorsichtig sein, wenn ich bei meinen Recherchen Medien zulasse, die eine ganz bestimmte Intention verfolgen. Zwei dieser Medien stelle ich jetzt vor:

Das RAF Phantom

Von Gerhard Wisnewksi, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker

Tatsachen kann man entweder direkt beweisen („verifizieren“) oder indirekt, indem man ihr Gegenteil ausschließt („falsifizieren“). Letzteres birgt in sich das Problem der Unvollständigkeit. Wenn Sie beispielsweise beweisen möchten, dass verdeckte Spielkarte die PIK Sieben ist, dann reicht es nicht, die Herzdame aus dem Kartenstapel zu ziehen und zu sagen, die gezogene Karte ist nicht die PIK Sieben, als muss das die verdeckte Karte sein. Sie müssen immer alle gegenteiligen Möglichkeiten eliminieren – nur dann funktioniert die Falsifikation.

Genau dieses Problem hat dieses Buch. Es stellt zweifellos viele hochinteressante Fragen, bietet sehr viele, sehr plausible Antworten – aber diese Antworten sind immer die, die in die Intention des Buches passen. Die 3. Generation der RAF hat es nie gegeben. Ihr Mythos wurde benutzt, um Menschen in bestimmten Funktionen loszuwerden. Die passenden, plausiblen Antworten speziell zu Rohwedder und Herrhausen liefern die Autoren gleich mit. Als Begründung liefern sie Ungereimtheiten, die tatsächlich geklärt werden müssen. Gleich zu Beginn wird beispielsweise ein Zeuge benannt, der die Attentäter des Herrhausen-Attentates gekannt haben will. Es habe sogar konkrete Treffen gegeben. Dieser Zeuge entpuppte sich als Lügner. Daraus aber die Schlussfolgerung zu ziehen, dieses Attentat habe mit der RAF gar nichts zu tun, ist nur eine Möglichkeit von vielen.

Um das klarzustellen: Dieses Buch ist keine Aneinanderreihung von Verschwörungstheorien. Es stellt viele wichtige Fragen. Es scheitert aber an der Konstruktion schlüssiger, eindeutiger Zusammenhänge. Die Frage ist schlicht: Gibt es überhaupt eindeutige Belege oder ist nicht vielmehr die Vielschichtigkeit möglicher Interpretationen von Realität ein Symptom einer Verschwörung? Wenn das so ist, dann kann man natürlich so ein Buch schreiben und Denkanreize liefern. Es ist dann in gewisser Weise die Vorstufe von dem, was ich mit meinen eigenen Recherchen beabsichtige. Historische Lücken mit Belletristik zu füllen.

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Black Box BRD

Von Andreas Veiel

Den Macher dieses Filmes hatte ich bereits in meiner Agenda. Es ist Andreas Veiel, der Regisseur von „Wer wenn nicht wir“ (dazu hatte ich schon eine Rezension geschrieben). „Black Box BRD“ gibt es als Buch und als Film, erschienen 2001.

Der Film ist ein reiner Dokumentarfilm. Gezeigt werden die Lebensstationen des Chefs der Deutschen Bank Alfred Herrhausen und des Terroristen Wolfgang Grams. Alte Filmaufnahmen, teilweise aus Privatarchiven, dokumentarische Szenen und Interviews mit den nächsten Angehörigen werden immer abwechselnd zusammengeschnitten. Der Film liefert dabei keine direkte Verbindung zwischen Grams und dem Attentat auf Herrhausen, auch wenn diese Verbindung, in welcher Form auch immer, naheliegend ist.

Grams, der 1994 bei einem Einsatz der GSG9 in Bad Kleinen zu Tode kommt, wird dabei als junger Rebell beschrieben – niemand käme auf die Idee, in ihm einen eiskalten Mörder zu sehen. Die bisher bekannten Fakten zeichnen da ein anderes Bild. Ebenso verhält es sich mit der Person Alfred Herrhausen. Was während seine Amtszeit als Chef der Deutschen Bank nicht bekannt war, wird hier herausgestellt – Herrhausen wollte entgegen aller kapitalistischen Prinzipien die Deutsche Bank zu einem Global Player in Sachen finanzieller Nachhaltigkeit umbauen. Er hatte konkrete Pläne für einen Schuldenerlass lateinamerikanischer Staaten – eine konkrete Idee, bei der viele Menschen, nicht nur in Deutschland, regelrecht Angst bekommen haben dürften. Eine Bloßstellung, ein Vorpreschen mit ungeahntem exemplarischen Ausmaß wäre die Umsetzung dieser Idee gewesen. Ist so jemand nicht das exakte Gegenteil eines typischen Opfers der RAF?

Die Intention dieser Dokumentation ist klar: sie soll neue Fragen aufwerfen und den Betrachter/Leser ratlos zurücklassen. Das passt einiges so überhaupt nicht zusammen. Der Film vermeidet es, den Pfad der Verschwörungstheorie zu gehen und bringt uns doch an eine Weggabelung, an der nur wenige plausible Wege übrigbleiben.

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