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Veröffentlicht am 02. Februar 2014

Varianten des Imperativs

Oder: Ist der kategorische Imperativ von Immanuel Kant noch aktuell?

Nachfolgender Text ist ein Auszug aus einem größeren Text, an dem ich noch einige Zeit werde arbeiten müssen. Mein Anliegen ist der Brückenschlag zwischen dem Idealismus eines Immanuel Kant und aktuell diskutierten Themen namhafter Philosophen. Die Hintergründe beziehe ich aus diversen Zeitschriften zum Thema und eigenen Recherchen.Nachfolgender Text ist ein Auszug aus einem größeren Text, an dem ich noch einige Zeit werde arbeiten müssen. Mein Anliegen ist der Brückenschlag zwischen dem Idealismus eines Immanuel Kant und aktuell diskutierten Themen namhafter Philosophen. Die Hintergründe beziehe ich aus diversen Zeitschriften zum Thema und eigenen Recherchen.

Dieser Text ist als Einstieg in das Thema gedacht. Es handelt von Kants kategorischem Imperativ und seinen Varianten. Zwei bedeutende Philosophen unserer Zeit, Derek Parfit und Thomas Scanlon, lieferten Varianten dieses Imperativs und transportieren ihn damit in unsere Zeit.

Immanuel Kant

Wir kennen ihn alle. Aus der “Grundlegung zur Metaphysik der Sitten” :-) Genau. Das sind die Bücher, die wir alle nebenbei in den Werbepausen des Privatfernsehens lesen :-)

Dort schreibt Immanuel Kant:

“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”

Kant selbst hat diesen Satz mehrfach variiert.

“Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann.”
oder
“Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”

Eine ganz einfache Variante lernt man in einem guten Kindergarten. Ab einem bestimmten Alter ist ein Mensch in der Lage folgende Vereinfachung des kategorischen Imperativs zu verstehen (eine sehr starke Simplifizierung):

“Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg´ auch niemand anderem zu!”

Oder, wenn es dann in die weiterführende Schule geht.

“Meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen anfängt.”

Weitere Infos zu Immanuel Kant

Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg (Preußen); † 12. Februar 1804 ebenda) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung sowie unter anderem Professor der Logik und Metaphysik in Königsberg. Kant zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie. Sein Werk Kritik der reinen Vernunft kennzeichnet einen Wendepunkt in der Philosophiegeschichte und den Beginn der modernen Philosophie.

Kant schuf eine neue, umfassende Perspektive in der Philosophie, welche die Diskussion bis ins 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst. Dazu gehört nicht nur sein Einfluss auf die Erkenntnistheorie und Metaphysik mit der Kritik der reinen Vernunft, sondern auch auf die Ethik mit der Kritik der praktischen Vernunft und die Ästhetik mit der Kritik der Urteilskraft. Zudem verfasste Kant bedeutende Schriften zur Religions-, Rechts- und Geschichtsphilosophie sowie Beiträge zur Astronomie und den Geowissenschaften.

Kant galt schon zu Lebzeiten als herausragender Philosoph, so dass bereits in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts ein regelrechter Kantianismus entstand. Als Wegbereiter hervorzuheben sind Johann Schulz, Carl Leonhard Reinhold und auch Friedrich Schiller. Schnell kam es auch zu kritischen Stellungnahmen von rationalistischen Vertretern der Aufklärung. So nannte Moses Mendelssohn Kant einen, der alles zermalmt, oder Johann August Eberhard gründete gar eine eigene Zeitschrift, in der er seine Kritik publizierte, auf die Kant explizit in der Schrift Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll einging.

Von größerer Bedeutung war die Kritik von Johann Georg Hamann und Johann Gottfried Herder, die Kant vorhielten, die Sprache als originäre Erkenntnisquelle vernachlässigt zu haben. Herder wies zudem darauf hin, dass der Mensch bereits im Zuge der Wahrnehmung „metaschematisiert“, was bereits Einsichten der Gestaltpsychologie vorwegnahm. Ein weiterer grundlegender Ansatz der Kritik kam von Friedrich Heinrich Jacobi, der sich an der Trennung der zwei Erkenntnisstämme stieß und deshalb „das Ding an sich“ verwarf. Quelle: wikipedia

Jetzt gibt es zwei Varianten, die sich führende Philosophen ausgedacht haben und die Folge einer langen Auseinandersetzung mit dem Thema ist.

“Jeder sollte Prinzipien folgen, die niemand vernünftigerweise zurückweisen kann.”
(Thomas Scanlon)

“Ein normatives Prinzip muss nicht durch etwas anderes verifiziert werden.”
(Derek Parfit)

Thomas Scanlon

Diese Sätze sind augenscheinlich kürzer als das Original, auf der einen Seite etwas weniger »sperrig«, auf der anderen aber ragt ein Wort heraus, das Kant nicht verwendet hat. Das »Prinzip«. Parfit fügt noch das Prädikat »normativ« hinzu.

Gehen wir aber zunächst auf das “verifiziert” ein. Die Philosophen sprechen von “Verifikation” also dem direkten logischen Beweis und von “Falsifikation”, das ist der indirekte Beweis durch logische Darlegung, dass das Gegenteil nicht zutreffen kann. Parfit sagt, dass ein normatives Prinzip (eine sehr klug in die Gegenwart transportierte Definition des “Kategorischen Imperativs”) durch nichts anderes verifiziert werden muss. Das bedeutet: das normative Prinzip hat eine Allgemeingültigkeit, die aus sich selbst heraus rechtfertigt. “Die Würde des Menschen ist unantastbar” beispielsweise ist so ein Prinzip. Es ist völlig einleuchtend, dass die Verletzung menschlicher Würde dem menschlichen Dasein entgegenstrebt. Jederzeit. Ein Gebot wie “Du sollst nicht töten” hingegen steht da schon auf einer nicht ganz so soliden Grundlage, wenn man Verfechter der aktiven Sterbehilfe fragen würde.

Interessant wird es, wenn man solche Gebote, die als Prinzip gebraucht oder auch missbraucht werden, hinterfragt. Dieses Hinterfragen ist der Prozess der Normierung des Gebots. Es ist so, als würde der Anspruch unzähliger Individuen zu einer Formel finden, die diese Allgemeingültigkeit besitzt.

Weitere Infos zu Thomas Scanlon

Thomas Michael (“Tim”) Scanlon (* 28. Juni 1940 in Indianapolis, Indiana) ist ein US-amerikanischer Moralphilosoph. Er ist Alford Professor für Natürliche Religion, Moralphilosophie und Politik am Institut für Philosophie an der Harvard University.

Scanlon ist der Sohn eines Rechtsanwaltes, durch den er bereits in der Jugend grundlegende Kenntnisse über allgemeine Fragen des Verfassungsrechtes erwarb.

Während seines Studiums der Philosophie an der Princeton University befasste er sich vorrangig mit Logik und der Philosophie der Mathematik. Seine Examensarbeit schrieb er 1962 bei Paul Benacerraf. Im Jahr 1963 studierte er ein Jahr lang an der Oxford University, für das er ein Fulbright-Stipendium erhielt. Hier hörte er insbesondere Michael Dummett und befasste sich zum ersten Mal intensiv mit Immanuel Kant. Im Anschluss wechselte er 1963 nach Harvard, wo er einerseits John Rawls kennenlernte, andererseits bei Burton Dreben mit einer Arbeit über Beweistheorie im Jahr 1968 promovierte.

Bereits ab 1966 hatte er einen Lehrauftrag in Princeton, wo er im Jahr 1977 zum Professor ernannt wurde. Im Jahr 1984 nahm er einen Ruf an die Harvard-Universität an, wo er 1988 die Alford Professur erhielt.

Etwa ab 1974 verlegte er den Schwerpunkt seinen Arbeiten auf Fragen der Ethik und Politischen Philosophie. Eine seiner wichtigsten Forschungsbeiträge stellt seine neue Variante des Kontraktualismus dar. Er steht darin in der Tradition von John Rawls, Immanuel Kant und Jean-Jacques Rousseau.

Scanlon ist Mitherausgeber der Zeitschrift Philosophy and Public Affairs und wurde im Jahr 2002 Präsident der American Philosophical Association (Eastern Division). 1993 war er MacArthur Fellow und wurde in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. 1997 wurde er Mitglied (Corresponding Fellow) der British Academy. Für 2016 wurde ihm der Lauener Preis zugesprochen, 2018 wurde Scanlon in die American Philosophical Society gewählt.

Scanlon ist verheiratet, hat zwei Töchter und ist der Schwiegervater des Philosophen und Afrikaforschers Tommie Shelby. Quelle: wikipedia.

Derek Parfit

Aber jetzt zu dem eigentlich spannenden Begriff: “Das Prinzip” — Was ist so besonders daran? Ob und wie Kant das Wort »Prinzip« verwendet hat oder verwendet hätte — das wäre eine eigene Diskussion wert. Das »Prinzip« — im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit der Phrase »… es geht mir um das Prinzip …« genutzt — dürfte für Kant noch gar nicht relevant sein. Denn das Zeitalter der Aufklärung hatte sich ja zum Ziel gesetzt, dass Menschen Maximen verinnerlichen. Eine verinnerlichte, individuelle Maxime ist ein Prinzip. Genauer: zu Zeit Immanuel Kants hatten die Menschen noch keine individuellen Prinzipien. Es gab also keinen Anlass, so einen Begriff zu verwenden. Der individuelle Imperativ war noch gar nicht geboren.

Daraus ergibt sich aber wiederum ein anderes Problem: ist ein Prinzip individuell, wie kann es dann allgemeingültig sein? Die Antwort hat Derek Parfit und eröffnet damit einen neuen Ansatz auf den uralten kategorischen Imperativ: er ist normativ, d.h. er birgt in sich einen Anspruch. Parfit definiert diesen Anspruch auch gleich — er ist gültig und braucht durch nichts anderes verifiziert zu werden. Er ist sozusagen das abstractum atomar — eine nicht zerlegbare Abstraktion. Das Prinzip muss von allen Menschen als ein Prinzip verstanden sein.

Die spannende Frage ist nun: Gibt es das wirklich? Ja, aber nur im Kontext der Vernunft. Wer das Prinzip »rechts vor links« im Straßenverkehr nicht beachtet, hat ein Problem. Eine aus einem normativen Anspruch abgeleitete Regel ist ein Prinzip. Was ist aber, wenn es an die wirklichen Abstraktionen geht? — »Wahrheit« oder »Freiheit«. Gibt es dort auch eine »shared vision« für alle Menschen, die nur eine Interpretation zulässt? Gibt es von der Perspektive unabhängige Abstraktionen?

Derek Parfit ist am 1. Januar 2017 verstorben.

Weitere Infos zu Derek Parfit

Derek Antony Parfit (* 11. Dezember 1942 in Chengdu, China; † 1. Januar 2017 in Oxford) war ein britischer Philosoph, der am All Souls College der University of Oxford forschte. Parfits Schwerpunkte waren Fragen der personalen Identität, der normativen Ethik und der Moralbegründung.

Parfits Eltern, Norman und Jessie Parfit, geborene Browne, waren beide Mediziner, die seit 1935 in China als Lehrer für präventive Medizin an verschiedenen Missionsschulen tätig waren. Ein Jahr nach Parfits Geburt kehrten sie 1943 nach England zurück, wo Parfit das Eton College besuchte. Während seiner Schulzeit schrieb er eine Reihe Gedichte, die er auch im Journal des Colleges veröffentlichte. Sein Studium der neueren Geschichte absolvierte er ab 1961 am Balliol College der University of Oxford mit dem Abschluss des B.A. 1964. In den Jahren 1965 und 1966 studierte Parfit als Harkness Fellow an der Columbia University sowie an der Harvard University Philosophie. Mit seiner Rückkehr nach Oxford wurde er Fellow am All Souls College aufgrund eines gewonnenen Preises. Hier wirkte er, ohne je einen akademischen Abschluss in Philosophie abgelegt zu haben, ab 1974 als Junior Fellow, Research Fellow (ab 1981) und Senior Research Fellow (ab 1984) bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2010. Parfit war Gastprofessor unter anderem an der Harvard University, Rutgers University, Princeton University, Temple University, Rice University und der University of Colorado at Boulder. 1986 wurde er in die British Academy, 1992 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Parfit war ambitionierter Architektur-Photograph und reiste zu diesem Zweck mehrfach nach Venedig und St. Petersburg. Er lebte während seiner beruflichen Zeit nahezu ausschließlich im All Souls College. Im Jahr 2014 erhielt er den Rolf-Schock-Preis im Bereich Philosophie für seine grundlegenden Beiträge zur personalen Identität, für seine Betrachtung über künftige Generationen und seine Analyse der Struktur ethischer Theorien.

Derek Parfit und die Philosophin Janet Radcliffe Richards heirateten nach langjähriger Partnerschaft im Jahr 2010.

Parfit unterstützte die soziale Bewegung des effektiven Altruismus. Als Mitglied der Organisation Giving What We Can verpflichtete er sich öffentlich, mindestens zehn Prozent seines Einkommens an effektive Organisationen zu spenden. Quelle: wikipedia.